Müllheim

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 Badische Zeitung vom Dienstag, 23. November 2004 

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Auflösung sprachlicher Struktur Abo

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Bries neuer Gedichtband

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Hartmut Brie stellt seinen neuen Band "Dem Gedicht auf der Spur" vor. FOTO: SIGRID UMIGER

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MÜLLHEIM. "Dem Gedicht auf der Spur" heißt der neue Band mit Gedichten des Müllheimer Lyrikers Hartmut Brie. Wie schon in seinem 2003 erschienenen Band "Brückenschläge", den er gemeinsam mit dem vietnamesischen Maler Eban herausbrachte, setzt Brie sich auch in seiner Neuerscheinung mit Problemstellungen unserer Zeit auseinander.
Er tut dies, wie von ihm gewohnt, mit überwiegend sanfter Sprachgewalt und faszinierenden Assoziationsketten. Seine Annäherung an den Kern aktueller Fragenstellungen erreicht er in thematischen Kreisen, die als Überschriften zu Kapiteln gesetzt sind. Kreisen um Wort und Bild, Kreisen um Glaubensfragen, Kreisen um Gefühlswelten, um andere Welten, um Gesellschaftsfragen: In scheinbar unvollständigen Sätzen thematisiert Brie Probleme und formuliert Aussagen, ohne dem Leser zwingende Lösungen aufzudrängen.

Wie die "Brückenschläge" zeichnet sich auch die Spurensuche durch eine zerbrechliche Ambivalenz aus, die durch Wort- und Satzschichtungen eine verwirrende emotionale Wirkung entfaltet. Bries Lyrik ist streng genommen eine Auflösung sprachlicher Struktur, die aus der Schieflage verschiedener Lebensebenen kleine Kunstwerke erschafft. Das Stakkato der auf den Leser einstürmenden Motive ist manchmal nicht ohne Brutalität, was durch die expressiven Wortfarben noch betont wird. Dieses "Wortschießpulver" - um nur eine der genialen Sprachschöpfungen Bries zu gebrauchen - sorgt für unablässige Konfrontationen mit den eigenen Lebenswidersprüchen des Lesers und beunruhigt nicht wenig.
Deshalb ist "Dem Gedicht auf der Spur" auch kein gemütliches Buch für die Kuschelecke, sondern eines, das reizt, herausfordert und dem Leser eine Steilvorlage zur Kontemplation bietet. Wer zahnlose Romantik sucht, ist hier allerdings schlecht bedient. Brie ist kein lyrischer "Lichtbringer", eher schon einer, der mit starken Scheinwerfern in das Chaos hineinleuchtet, welches von den zahlreichen Nebelkerzenwerfern - politischer und gesellschaftlicher Natur - in dieser Zeit inszeniert wird. Prädikat: Absolut lesenswert.
Hartmut Brie, Jahrgang 1943, Studiendirektor im Ruhestand, lebt in Müllheim. Er war elf Jahre lang Leiter von Erwachsenenbildungs- und Alphabetisierungskampagnen in West- und Zentralafrika und hat neben etlichen Gedichtbänden wissenschaftliche Abhandlungen über Afrika sowie über Poe und Mallarmé veröffentlicht.
Bianca Flier
Info: Erschienen im Wiesenburg-Verlag 2004, im Fachhandel erhältlich,
ISBN: 3-937101-39-X.